Geschäftsjahr 2019 und Mittelfristziele
Die automatisierung schreitet voran

Komax hat 2019 einen Umsatzrückgang verzeichnet, mit sinkender Profitabilität gekämpft, innovative digitale Services lanciert und Massnahmen zur Kostensenkung eingeleitet. Der Verwaltungsrat hat die Mittelfristziele angepasst.

Beat Kälin, Verwaltungsratspräsident

Beat Kälin, wie beurteilen Sie das Geschäftsjahr 2019?

Beat Kälin: Nach dem Rekordergebnis 2018 ist das Geschäftsjahr 2019 ein herber Rückschlag, den wir so nicht erwartet haben. Faktoren wie der Handelskonflikt zwischen den USA und China oder die sich in einigen Regionen abkühlende Wirtschaft haben das Investitionsverhalten unserer Kunden zunehmend negativ beeinflusst. Wenn man Investitionsgüter verkauft, muss man mit exogenen, nicht änderbaren Einflüss­en umgehen können. Das ist uns den Umständen entsprechend gelungen. Unbefriedigend ist jedoch, dass wir aufgrund interner Schwierigkeiten mit einzelnen kundenspezifischen Projekten unser Ergebnis zusätzlich geschmälert haben.

Matijas Meyer, hätten Sie Anfang 2019 erwartet, dass der Umsatz um über 10% sinken wird?

Matijas Meyer: Bis Ende 2018 haben unsere Kunden sehr viele Maschinen bei uns bestellt. Zudem haben wir anhand der uns mitgeteilten Prognosen erwartet, dass wir 2019 weiterwachsen werden. Im Januar und Februar hat plötzlich alles anders ausgesehen und insbesondere das von der Anzahl produzierter Fahrzeuge abhängige Geschäft hat sich massiv verschlechtert. Ab diesem Zeitpunkt haben wir angenommen, dass 2019 anspruchsvoll werden könnte. Zu Beginn des Jahres hatten wir noch die Hoffnung, dass unsere Kunden ihre Investitionsprojekte nur um ein, zwei Monate verschieben. Leider hat sich aber im Verlauf des Jahres gezeigt, dass sie die Projekte immer weiter hinausschieben – zuerst ins zweite Quartal, dann ins zweite Halbjahr und schlussendlich ins nächste Jahr.

Matijas Meyer, CEO

Verzeichneten Sie in allen Regionen einen Umsatzrückgang?

Matijas Meyer: In Nord-/Südamerika steigerten wir den Umsatz um 5.7%. Dazu hat auch die per 1. April 2019 ge­tätigte Akquisition von Artos Engineering beigetragen. In allen übrigen Regionen gingen die Umsätze zurück. Mit einem Minus von 22.5% erlitten wir in Asien/Pazifik den stärksten Rückgang. In China, dem mit Abstand wichtigsten Markt für uns in Asien, wurde 2018 kräftig in unsere Auto­matisierungs­lösungen investiert. Dadurch gab es 2019 in vielen Werken Überkapazitäten und die Nachfrage nach zusätzlichen Lösungen war folglich bescheidener.

Haben Sie von allen Produkten weniger verkauft?

Matijas Meyer: Gross war der Umsatzrückgang vor allem beim sogenannten Volumengeschäft. Dabei geht es um Crimp-to-Crimp-Maschinen, bei denen unsere Verkaufs­zahlen steigen, wenn mehr Fahrzeuge produziert werden. Nimmt das Produktionsvolumen zu, erhöhen unsere Kunden ihre Kapazitäten mit zusätzlichen Crimp-to-Crimp-Maschinen, damit sie die benötigten Kabelbäume herstellen können. Bei den meisten anderen Maschinen nahmen die Verkaufszahlen deutlich weniger ab oder bewegten sich gar auf dem Vorjahresniveau.

«Unsere Kunden sind sich bewusst, dass kein Weg daran vorbeiführt, den Automatisierungsgrad zu erhöhen.»

Matijas Meyer

Woran liegt das?

Matijas Meyer: Momentan ist immer noch ein Grossteil der Kabelsatzherstellung Handarbeit. Unsere Kunden sind sich bewusst, dass kein Weg daran vorbeiführt, den Automatisierungsgrad zu erhöhen. Denn Faktoren wie steigen­de Lohnkosten, fehlende personelle Ressourcen, Minia­tur­i­sierung der Kabel, lückenlose Rückverfolgbarkeit und höhe­re Qualitätsansprüche sind wichtige Argumente für Auto­matisierungslösungen. Deshalb haben unsere Kunden 2019 vor allem in neue Technologien investiert, mit denen sie die Automatisierung in ihren Werken steigern können. Dazu gehören beispielsweise unsere Maschinen der Omega- und Zeta-Linien sowie unsere Verdrillvollautomaten.

Welche strategischen Überlegungen stehen hinter den 2019 getätigten Akquisitionen von Artos Engineering und Exmore?

Beat Kälin: Artos ist ein Traditionsunternehmen aus den USA mit einer über 100-jährigen Geschichte. Mit Artos haben wir viel zusätzliches Know-how bei der Entwicklung von inno­vativen Applikationen hinzugewonnen und können, nicht zuletzt dank den lokalen Engineering-Kompetenzen, unsere Kundennähe in Nordamerika verstärken. Beides ist strategisch sehr wichtig für uns. Das belgische Unternehmen Exmore ist äusserst versiert in der Entwicklung von Applika­tionen, die mit der Verarbeitung von Sensorleitungen zu­sammenhängen. Sensorleitungen sind ein wichtiges Element, damit Fahrzeuge künftig autonom oder vorerst zumindest hochautomatisiert fahren können. Mit Exmore haben wir bei diesem Trend in der Automobilindustrie eine gute Ausgangslage.

Sind weitere Akquisitionen geplant?

Beat Kälin: Falls sich die Möglichkeit bietet, ein Unternehmen zu übernehmen, das sowohl strategisch als auch von der Unternehmenskultur zur Komax Gruppe passt, werden wir weiterhin offen sein und dies sorgfältig prüfen. Bei der Beurteilung der Projekte spielen natürlich auch die ver­fügbaren Finanz- und Management-Ressourcen eine wichtige Rolle. Nach zahlreichen Akquisitionen in den vergangenen Jahren ist Komax momentan insbesondere mit der optimalen Integration der neuen Firmen sowie dem Nutzen der hinzugewonnenen Stärken und Kom­petenzen beschäftigt.

Weshalb ist der EBIT um über 60% gesunken, obwohl der Umsatz «nur» rund 13% abgenommen hat?

Matijas Meyer: Die erwähnten Maschinen des Volumengeschäfts sind Serienmaschinen, bei denen wir über einen operativen Hebel verfügen, wenn wir eine hohe Stückzahl produzieren können. Da diese 2019 markant abgenommen haben, hat der EBIT überproportional gelitten. Zudem haben wir 2019 weiterhin stark in Forschung und Entwicklung investiert. Der zurzeit stattfindende Umbruch in der Automobilindustrie bietet uns zahlreiche Möglichkeiten für Alleinstellungsmerkmale, die es nun zu entwickeln gilt. Insgesamt sind die F&E-Aufwendungen 2019 um CHF 0.4 Millionen gestiegen – und nicht im Verhältnis zum Umsatzrückgang um rund CHF 5.3 Millionen gesunken. Folglich ist die F&E-Quote von 8.6% auf ausserordentlich hohe 9.9% gestiegen.

«Strategisch ist es wichtig, dass wir eine gute Balance zwischen der Entwicklung von Serienmaschinen und kundenspezifischen Projekten haben.»

Beat Kälin

Gibt es weitere Gründe für die für Komax unüblich tiefe EBIT-Marge von 5.8%?

Matijas Meyer: Wir hatten 2019 grosse Herausforderungen mit einzelnen kundenspezifischen Projekten. Daraus folgten Zusatz­aufwendungen im hohen einstelligen Millionenbereich. Es handelt sich dabei um Pionier­projekte in der Automobil- und Flugzeugindustrie, die das Potenzial haben, einen merklichen Wachstumsbeitrag für Komax zu leisten. Aus diesem Grund haben wir uns vor ein paar Jahren entschieden, das unternehmerische Risiko einzugehen und gemeinsam mit Kunden neue Grossanlagen für die voll­automatische Verarbeitung von Spezialkabeln zu entwickeln. Dass in mehrjährigen Projekten nicht immer alles nach Plan läuft, ist wahrscheinlich. Wir haben jedoch nicht mit Kostenfolgen in diesem Ausmass gerechnet.

Wie werden Sie dies in Zukunft verhindern?

Matijas Meyer: Einerseits sind die verschiedenen Pionierprojekte, die wir parallel bearbeitet haben, mittlerweile abgeschlossen oder auf dem Weg zum Abschluss. Andererseits haben wir 2019 unser Risikomanagement verstärkt, unsere Prozesse angepasst und zudem entschieden, uns künftig auf Projekte mit tieferem Risikoprofil zu fokussieren. Wir haben die gemachten Fehler analysiert und die Lehren daraus gezogen, so dass wir künftig auch im Projektgeschäft wieder erfolgreich sein werden.

Ist es strategisch richtig, am Projektgeschäft festzuhalten? Komax hatte bereits in der Vergangenheit bei ihren Solar- und Medtech-Aktivitäten keinen nachhaltigen Erfolg damit …

Beat Kälin: Kundenspezifische Projekte sind Bestandteil unserer Strategie und ein wichtiger Baustein, um unsere Technologieführerschaft, insbesondere mit Schlüsselkunden, weiter auszubauen. Im Gegensatz zu früheren Aktivitäten geht es bei den heutigen kundenspezifischen Projekten immer um Anlagen für die automatisierte Kabelverarbeitung – und somit um unsere Kernkompetenz. Was wir in diesen Projekten lernen und entwickeln, fliesst später teilweise auch in die Serienmaschinen ein. Bei solchen Projekten ist das Ziel, dass es möglichst viele Wiederholaufträge gibt und es nicht bei einer Anlage bleibt. Ein Vorteil von kundenspezifischen Pro­jekten ist, dass wir diese gemeinsam mit einem Kunden durchführen und somit wissen, dass ein Bedürfnis besteht. Zum Vergleich: Bei der Entwicklung von Serienmaschinen machen wir mehrere Jahre im Voraus Marktabschätzungen in der Erwartung, dass diese sich bewahrheiten, wenn wir Jahre später die Maschinen im Markt einführen. Das Risiko bei Serien­maschinen ist somit anders gelagert und kann durchaus höher liegen – vor allem in Zeiten des Umbruchs wie momentan in der Automobilindustrie. Zudem müssen wir alle Entwicklungskosten selbst tragen. Sie sind somit eine Vorinvestition. Strategisch ist es wichtig, dass wir eine gute Ba­lance zwischen der Entwicklung von Serienmaschinen und kundenspezifischen Projekten haben, wobei das Projektgeschäft wesentlich kleiner ist und es auch weiterhin bleiben wird.

«Wir haben 2019 einmal mehr unter Beweis gestellt, dass wir Technologieführer sind.»

Beat Kälin

Komax hat in den vergangenen Jahren über CHF 90 Millionen in den Kapazitätsausbau an vier Standorten investiert. Haben Sie momentan Überkapazitäten?

Matijas Meyer: Wir haben 2019 zwei neue Gebäude in Deutschland und eines in Ungarn beziehen können. Dies sind drei Standorte, an denen wir seit längerem Platzpro­bleme gehabt hatten und froh sind, dass wir nun über mehr Kapazität verfügen. Ins neue Gebäude am Hauptsitz in der Schweiz können wir im ersten Quartal 2020 einziehen und anschliessend den gemieteten Standort in Küssnacht am Rigi aufgeben. Um künftig weiter wachsen zu können, haben wir von Anfang an geplant, dass wir über Platzreserven verfügen werden, wenn die Bauprojekte abgeschlossen sind. Aufgrund des momentanen Geschäftsverlaufs sind diese jedoch grösser als vorgesehen.

Wie reagieren Sie darauf?

Matijas Meyer: Unsere 20 Produktionsstandorte sind unterschiedlich ausgelastet. Dort wo es nötig und möglich ist, haben wir Vorbereitungen für Kurzarbeit getroffen oder diese bereits gestartet. Zudem sind wir daran, die Strukturen der gesamten Komax Gruppe zu überprüfen, um sie zu verein­fachen und die Profitabilität zu erhöhen. Diesen Prozess werden wir im ersten Halbjahr 2020 abschliessen. In diesem Zusammenhang ist es an einzelnen Standorten zu Entlassungen gekommen. Auf die Kosten werden sich die Struktur-Massnahmen frühestens im zweiten Halbjahr auswirken.

Worüber haben Sie sich 2019 gefreut?

Matijas Meyer: Wir haben 2019 verschiedene neue Produkte auf den Markt gebracht und damit einmal mehr unter Beweis gestellt, dass wir Technologieführer sind. Erstmals haben wir auch mehrere digitale Services lanciert, mit denen wir gezeigt haben, welch hohen Stellenwert die Digitalisierung für uns hat. Innovative Produkte sind das eine; gross ist die Freude aber vor allem deshalb, weil ich sehe, wie gut unsere Neuheiten bei den Kunden ankommen. Sehr gefreut hat mich auch, wie stark sich unsere Mitarbeitenden im schwierigen Jahr 2019 für Komax engagiert haben und wie sie mit der weiterhin herausfordernden Situation umgehen. Für diesen Einsatz danke ich allen Mitarbeitenden ganz herzlich.

Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung eine Dividende von CHF 1.80 nach CHF 7.00 im Vorjahr. Weshalb schütten Sie nicht mehr aus?

Beat Kälin: In unserer Strategie haben wir definiert, dass wir 50–60% des Gruppenergebnisses nach Steuern ausschütten. Sinkt dieses, verringert sich folglich auch die Dividende. Die beantragten CHF 1.80 entsprechen einer Ausschüttungsquote von 52.3%, womit wir uns innerhalb der strategischen Bandbreite bewegen. Mit unserer Strategie haben wir uns klar positioniert. Das heisst, unsere Aktionärinnen und Aktionäre wissen, dass sie keine Mindestdividende erwarten dürfen, sondern sich diese jährlich nach dem Geschäfts­erfolg richtet.

Was kann 2020 von Komax erwartet werden?

Matijas Meyer: Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Prognose schwierig. Unsere Visibilität der Geschäftsentwicklung ist sehr tief, so dass wir den Verlauf des ersten Halbjahres noch nicht abschätzen können. Die Ausbreitung des Coronavirus hat das Ganze zusätzlich erschwert. Wie lange diese Epidemie andauern wird und welche Konsequenzen sie für die weltweite Wirtschaftsentwicklung hat, insbesondere auch für die Automobilindustrie, lässt sich momentan nicht beurteilen. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass auch 2020 sehr herausfordernd wird, da die Prognosen – vor der Ausbreitung des Coronavirus – von ähnlichen Fahrzeugproduktions­zahlen wie 2019 ausgingen.

Welche Folgen hat dies für die strategischen Ziele 2017–2021?

Beat Kälin: Der Verwaltungsrat hat sich bereits seit längerem mit diesen Zielen auseinandergesetzt. Aufgrund der prognostizierten Entwicklung der Automobilindustrie in den nächsten Jahren hat er entschieden, sie anzupassen und ihnen einen neuen Zeithorizont – das heisst 2023 – zu geben. Wir haben die Ziele 2017–2021 in der zweiten Jahreshälfte 2016 definiert und bereits damals gewusst, dass sie ambitioniert sind. Bis 2018 waren wir gut auf Kurs, um die Ziele zu erreichen. Das Jahr 2019 hat uns jedoch deutlich zurückgeworfen, und wir können nicht davon ausgehen, dass wir 2020 einen grossen Schritt vorwärts machen werden. Folglich müssten wir alles 2021 wettmachen, was uns nicht realistisch erscheint. Für 2023 streben wir einen Umsatz von CHF 450–550 Millionen und einen EBIT von CHF 50–80 Millionen an. Diese Ziele stehen für die unveränderte Ambition von Komax, stärker als der Markt zu wachsen und eine überdurchschnittliche Profitabilität zu erreichen. Wir schütten zudem weiterhin 50–60% des EAT aus.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie die Ziele des Verwaltungsrats erreichen können?

Matijas Meyer: Wie erwähnt gibt es weiterhin verschiedene Gründe, weshalb unsere Kunden bestrebt sind, den Auto­matisierungsgrad in ihren Werken deutlich zu erhöhen. Auch Trends wie die Elektromobilität und das autonome Fahren sind Wachstumstreiber für uns. Vorausgesetzt, dass sich die Weltwirtschaft nicht wesentlich abkühlt und dadurch unsere Kunden noch zurückhaltender mit Investitionen werden, bin ich zuversichtlich, dass wir die gesetzten Ziele erreichen können. Mit unserem Produktportfolio und unserem einzig­artigen Verkaufs-, Service- und Engineering-Netzwerk sind wir ausgezeichnet positioniert, um von einem sich kurz­fristig einstellenden Nachholbedarf zu profitieren.

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