Rückblick auf das Geschäftsjahr 2020 und Ausblick
DIE MEGATRENDS SPRECHEN FÜR KOMAX

Komax hat 2020 enorme Herausforderungen gemeistert, Kosten gesenkt, die Organisation agiler gemacht und Fortschritte bei Innovationsprojekten erzielt. Sie sieht sich für die Zukunft gut positioniert und hält an den Mittelfristzielen fest.

Matijas Meyer, CEO

Matijas Meyer, was war die grösste Herausforderung im Krisenjahr 2020?

Matijas Meyer: Die Planungsunsicherheit. Nachdem 2019 die Automobilindustrie schwächelte und es für uns ein sehr anspruchsvolles Jahr war, sind wir davon ausgegangen, dass auch 2020 herausfordernd sein wird. Entsprechend haben wir uns darauf eingestellt und bereits im Vorjahr Kostensenkungen initiiert. Die Corona-Pandemie hat dann jedoch innert Wochen die Investitionsbereitschaft unserer Kunden komplett verändert und unsere Situation in einem nicht vorhersehbaren Ausmass verschärft. Insbesondere, weil nicht abschätzbar war, wie lange die Pandemie dauern und wie sich die Kapazitätsauslastung unserer Kunden entwickeln würde. Dadurch war auch unklar, wie viel Bedarf an unseren Automatisierungs­lösungen sie kurzund mittelfristig haben werden. Dies machte für uns jegliche Planung enorm anspruchsvoll.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Matijas Meyer: Wir haben umgehend ein sehr umfassendes Massnahmenpaket zusammengestellt, mit dem wir in all unseren Gesellschaften die Kosten senken konnten. Da im Frühling während Wochen viele Automobilwerke geschlossen waren, zeichnete sich ein massiver Umsatzeinbruch ab. Umso wichtiger war es, dass wir frühzeitig damit begonnen haben, konsequent unsere Kostenbasis zu reduzieren. Beispielsweise in der Schweiz haben unsere Mitarbeitenden bereits ab März Kurzarbeit geleistet.

Beat Kälin, Verwaltungsratspräsident

Beat Kälin, Sie sind seit 2006 in verschiedenen Funktionen bei Komax und haben in dieser Zeit viel erlebt. Wie ordnen Sie das Geschäftsjahr 2020 ein?

Beat Kälin: Es ist zweifellos eines der intensivsten und schwierigsten Jahre gewesen, das sowohl von der Gruppen- leitung als auch von allen anderen Mitarbeitenden bei Komax sehr viel abverlangt hat. Im Gegensatz zu 2009, als die Auswirkungen der globalen Finanzkrise Komax stark zusetzten, war 2020 nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht eine Herausforderung. Aufgrund der Corona-Pandemie waren alle Mitarbeitenden mit einer komplett neuen, belastenden Situa- tion konfrontiert, die sie vor allem auch im privaten Umfeld forderte. Im Wissen darum, dass in diesem unvergleichlichen Jahr die Belastung in vieler Hinsicht hoch war, bin ich sehr zufrieden, wie Komax die Situation meisterte.

Nichtsdestotrotz resultierte ein negatives Gruppenergebnis nach Steuern ...

Beat Kälin: Seit 2009 ist es das erste Mal, dass Komax einen Verlust schreibt. Selbstverständlich war die Erwartung für 2020 eine komplett andere. Doch niemand konnte vorhersehen, dass 2020 aufgrund der Corona-Pandemie 15 Millionen bzw. 17% weniger Fahrzeuge als 2019 produziert werden. Unter diesen Umständen und wenn man bedenkt, dass Mitte Jahr ein Gruppenergebnis nach Steuern von
CHF –11.6 Millionen resultierte, ist es beachtlich, dass der Verlust bis Ende Jahr auf
CHF –1.3 Millionen reduziert werden konnte. Es ist zudem eine Bestätigung dafür, dass wir ein robustes Geschäftsmodell haben und innert nützlicher Frist auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren können.

«Wir haben unsere Kosten um über CHF 50 Millionen reduziert.»

Matijas Meyer

Was bedeutet dies für die Dividende?

Beat Kälin: Gemäss unserer Strategie schütten wir jährlich 50–60% unseres Gruppenergebnisses nach Steuern an unsere Aktionärinnen und Aktionäre aus. Da das Ergebnis negativ war, können wir auch nichts ausschütten und beantragen deshalb der Generalversammlung, auf eine Dividende zu verzichten.

Wie hoch waren die Kosteneinsparungen 2020 insgesamt?

Matijas Meyer: Im Vergleich zum Vorjahr haben wir unsere Kosten um über CHF 50 Millionen reduziert.

Wie viele dieser Einsparungen kommen auch 2021 zum Tragen?

Matijas Meyer: Ein Grossteil der Einsparungen ist auf die Kurzarbeitsentschädigung zurückzuführen, die wir in ver- schiedenen Ländern in Anspruch genommen haben. Mit Verbesserung der Marktsituation haben wir im Verlauf von 2020 die Kurzarbeits­quote stetig gesenkt. Ziel ist es natürlich, möglichst bald gar keine Kurzarbeit mehr leisten zu müssen. Denn das würde bedeuten, dass das Geschäft wieder gut läuft. Gewisse Kostenreduktionen haben sich 2020 aufgrund der Corona-Pandemie praktisch automatisch ergeben, wie z. B. Einsparungen bei Reisen und Messen, die nicht stattgefunden haben.

Diese Kosten werden somit zurückkehren, doch welche Einsparungen sind nachhaltig?

Matijas Meyer: Wir haben 2020 den Personalbestand in der gesamten Komax Gruppe um gegen 10% reduziert. Dies ging leider nicht ohne Entlassungen in verschiedenen Gesellschaften, was ich sehr bedaure. Wir haben dadurch sehr qualifizierte Mitarbeitende und wertvolles Know-how verloren. Zahlreiche dieser Mitarbeitenden werden uns erst im Verlauf des ersten Halbjahres 2021 verlassen, da die Kündigungen im letzten Quartal 2020 ausgesprochen wurden. Nicht nur die mit dem Personalabbau verbundene Kostenreduktion ist nachhaltig, sondern auch die Einsparungen, die wir durch Strukturanpassungen in verschiedenen Gesellschaften erreicht haben. So haben wir beispielsweise in der ersten Jahreshälfte 2020 unsere nordamerikanischen Produktionsstandorte für Prüfsysteme konsolidiert. Seither produzieren wir nur noch an unserem neuen Standort in Juárez, Mexiko, und nicht mehr sowohl in Mexiko als auch in den USA. Mit den erwähnten und zahlreichen weiteren Massnahmen haben wir unsere Kostenbasis um über CHF 10 Millionen nachhaltig gesenkt.

«Wir haben das Krisenjahr genutzt, um uns noch besser für die kommenden Jahre zu positionieren.»

Beat Kälin

Hat sich durch die Corona-Pandemie die Ausgangslage für Komax verändert?

Beat Kälin: Die Megatrends sind immer noch die gleichen wie vor Pandemie-Beginn. Das heisst, Themen wie die Elektromobilität und das autonome Fahren führen zu mehr und neuartigen Kabeln in Fahrzeugen. Da der Automatisie- rungsgrad in der Kabelverarbeitung nach wie vor sehr tief ist, hat Komax viel Wachstumspotenzial. Denn steigende Lohnkosten und Qualitätsansprüche sowie knapper werdende personelle Ressourcen begünstigen unser Geschäft, da sie den Druck auf unsere Kunden erhöhen, in Automatisierungs­lösungen zu investieren. Unsere Ausgangslage ist somit weiterhin sehr gut und wir haben das Krisenjahr genutzt, um uns noch besser für die kommenden Jahre zu positionieren.

Was heisst das konkret?

Matijas Meyer: Durch die strukturellen Anpassungen in verschiedenen Gesellschaften haben wir nicht nur unsere Kosten gesenkt, sondern unsere Organisation verschlankt und agiler gemacht. Mit nun kürzeren Kommunikationswegen und Entscheidungsprozessen erhoffen wir uns, noch schneller auf sich verändernde Bedürfnisse unserer Kunden reagieren zu können. Zudem haben wir die interne und externe Digitalisierung vorangetrieben, um unseren Kunden weitere Wettbewerbs­vorteile zu verschaffen. Dazu gehört auch, dass wir mit der Beförderung von Tobias Rölz in die Gruppenleitung der Digitalisierung noch mehr Gewicht gegeben haben. Er leitet den neu geschaffenen Bereich Market & Digital Services, der dazu beiträgt, dass wir das Potenzial der Digitalisierung durchgehend, d. h. von der Produktentwicklung bis zum Vertrieb, optimal nutzen können.

Gibt es weitere Elemente, die künftig einen positiven Effekt haben werden?

Matijas Meyer: Ja, es gibt zahlreiche weitere Gebiete, bei denen wir 2020 entscheidend vorwärtsgekommen sind. Zwei davon möchte ich hier explizit erwähnen – zuerst die Integration von Artos und Exmore. Diese beiden Unternehmen haben wir 2019 akquiriert und sie sind bereits ein wichtiger Bestandteil der Komax Gruppe. Wir haben 2020 Artos und Exmore sehr gut in das Komax-Netzwerk integrieren können. Mit ihrem Know-how haben sie unsere Gruppe bereichert und unsere Marktposition gestärkt. Das US-Unternehmen Artos verfügt über grosse Erfahrung bei der Entwicklung von innovativen Applikationen. Dank Artos haben wir nun Engineering-Kompetenz in Nordamerika und konnten dadurch unsere dortige Kundennähe verstärken. Exmore ist ebenfalls stark in der Entwicklung von Applikationen. Unsere belgischen Mitarbeitenden sind spezialisiert auf Applikationen, die mit der Verarbeitung von Sensorleitungen zusammenhängen. Für den Megatrend autonomes Fahren sind Sensorleitungen enorm wichtig. Mit Exmore sind wir diesbezüglich ausgezeichnet positioniert.

«Unsere Mitarbeitenden haben während des ganzen Jahres hervorragende Arbeit geleistet.»

Beat Kälin

Und welches ist der zweite Bereich, in dem Sie 2020 entscheidende Schritte machen konnten?

Matijas Meyer: Wir haben bei mehreren Innovationsprojekten Durchbrüche erzielen können. Dies mag etwas paradox klin- gen, da unsere Entwicklungsmitarbeitenden sehr viel Kurzarbeit leisteten und wir folglich beinahe CHF 12 Millionen weniger in Forschung und Entwicklung investierten als im Vorjahr. Doch verschiedene Innovationsprojekte waren bereits so weit fortgeschritten, dass 2020 Feldtests bei ausgewählten Kunden anstanden. Diese konnten wir trotz der Corona-Pandemie durchführen und erfolgreich gestalten. Die Fortschritte in diesen Schlüsselprojekten gehören definitiv zu meinen Highlights des Jahres. Ich bin überzeugt, dass unsere Kunden mit diesen Innovationen zusätzliche Wettbewerbs­vorteile erhalten werden und wir unsere Technologieführerschaft weiter festigen können. Mehr möchte ich dazu noch nicht preisgeben, doch wir arbeiten intensiv daran, dass wir im November 2021 an der Productronica in München, unserer wichtigsten Fachmesse in Europa, einige der Neuheiten präsentieren können.

Was waren Ihre Highlights, Herr Kälin?

Beat Kälin: Mich hat die Fertigstellung des neuen Produktions- und Entwicklungsgebäudes am Hauptsitz in Dierikon sehr gefreut. Es ist das grösste Investitionsprojekt in der Geschichte von Komax. Wir haben über CHF 75 Millionen investiert und nach rund zweieinhalb Jahren Bauzeit das Budget sogar leicht unterschritten. Das ist wahrlich nicht alltäglich bei solch einem Grossprojekt und spricht für die Projektleitung. Aufgrund der Corona-Pandemie gab es bisher leider noch keine Eröffnungsfeier und da die Mehrheit der Mitarbeitenden seit Monaten von zu Hause arbeitet, ist das Gebäude auch noch nicht vollständig belebt. Dennoch zeigen sich bereits jetzt die Effizienzsteigerungen in Produktion und Logistik. Da Produktions- und Entwicklungsmitarbeitende nun gemeinsam auf den einzelnen Etagen der vertikalen Fabrik arbeiten und nicht mehr separiert sind, bin ich überzeugt, dass sich durch diese kurzen Wege künftig der Innovationsprozess beschleunigen wird.

Neben allen positiven Aspekten hat der Neubau auch zu einer hohen Nettoverschuldung beigetragen. Wie stark hat Sie diese während des Krisenjahres belastet?

Matijas Meyer: Die Liquiditätsplanung war enorm wichtig. Wir haben bereits im ersten Quartal 2020 den Konsortial- kreditrahmen um CHF 30 Millionen erhöht. Zudem haben wir mit den Banken vereinbaren können, dass ab Mitte 2020 während zwölf Monaten angepasste Financial Covenants für den Konsortialkredit gelten. Diese Anpassung hat uns zwar Luft gegeben, aber war natürlich nicht kostenlos. Das heisst, sie ist mit einer deutlich höheren Zinsbelastung verbunden, was sich im Finanzergebnis widerspiegelt. Deshalb hatte die Senkung der Nettoverschuldung höchste Priorität. In einem Krisenjahr ist dies aber alles andere als einfach. Dem grossen Einsatz unserer Mitarbeitenden ist es zu verdanken, dass wir sie dennoch um CHF 13.8 Millionen auf CHF 92.4 Millionen reduzieren konnten. Unsere Mitarbeitenden haben während des ganzen Jahres trotz widrigen Umständen hervorragende Arbeit in ihren Fachbereichen geleistet! Im Namen der Gruppenleitung danke ich all unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz herzlich für ihr Engagement in diesem äusserst anspruchsvollen Jahr.

2019 hatten Sie kostspielige Probleme bei kundenspezifischen Projekten. Wie hat sich das Projektgeschäft 2020 entwickelt?

Matijas Meyer: Für uns war es wichtig, dass wir aus unseren 2019 gemachten Fehlern die richtigen Lehren ziehen und diese erwähnten Projekte innert nützlicher Frist abschliessen. Dies haben wir gemacht und in der Folge unser Risiko­management verstärkt und Prozesse angepasst. Nun sind wir wieder gut aufgestellt und haben deshalb 2020 von der grossen Nachfrage nach Automatisierungs­­lösungen für die Verarbeitung von Spezialkabeln, insbesondere Datenleitungen, profitieren können. Aufgrund des Trends zum hochautomatisierten oder gar autonomen Fahren gehen wir davon aus, dass der Automatisierungsbedarf in diesem Bereich in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird.

Sind die Ziele 2023 noch realistisch oder zu ambitiös?

Beat Kälin: Sie sind zweifellos ambitiös, aber aus heutiger Sicht gehen wir nach wie vor davon aus, dass sie erreichbar sind. Als der Verwaltungsrat Anfang März 2020 die Mittelfristziele definierte, das heisst CHF 450 bis 550 Millionen Umsatz und ein EBIT zwischen CHF 50 und 80 Millionen, war die Welt eine andere. Damals gingen wir davon aus, dass 2023 rund 97 Millionen Fahrzeuge produziert werden. Mittlerweile erwarten die Analysten von IHS Markit ein rund 6 Millionen tieferes Produktionsvolumen.

Weshalb sind Sie dennoch zuversichtlich, die Ziele zu erreichen?

Beat Kälin: Das momentan prognostizierte Produktionsvolumen 2023 liegt nur 3 Millionen unter dem von 2018, als wir CHF 480 Millionen Umsatz erzielt haben. Zudem, und das ist noch viel wichtiger, hat das Jahr 2020 deutlich gezeigt, dass unsere Kunden gewillt sind, in die Erhöhung der Automatisierung zu investieren. Und zwar aufgrund der Mega- trends in der Automobilindustrie und nicht, weil mehr Fahrzeuge produziert werden. Denn dies war 2020 bekanntlich nicht der Fall. Und obwohl deshalb unser Volumengeschäft, das heisst Crimp-to-Crimp-Maschinen, grösstenteils wegge- brochen ist, konnten wir insbesondere im zweiten Halbjahr unseren Kunden viele Maschinen aus unserem breiten Pro- duktportfolio verkaufen. Wenn man nun noch in Betracht zieht, dass, wie von Matijas Meyer erwähnt, die Innovations- pipeline gut gefüllt ist, stimmt mich dies zuversichtlich. Nichtsdestotrotz bleiben die Ziele eine Herausforderung, vor allem wenn das Volumengeschäft weiterhin wegbleiben sollte, denn es trägt überproportional zum EBIT bei.

Was darf 2021 erwartet werden?

Matijas Meyer: Wir haben eine Kapazitätsplanung, die darauf beruht, dass 2021 zwar deutlich besser sein wird als das Vorjahr, aber wir noch rund 10% unter dem Umsatzniveau von 2019 sein werden. Wie stark sich das EBIT erhöhen lässt, ist nicht zuletzt davon abhängig, in welchem Mass das Volumengeschäft zurückkehrt. Je nachdem wie sich der Umsatz entwickelt, haben wir Möglichkeiten, bei den Kosten zu reagieren. Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass wir gut positioniert sind und gestärkt aus der Krise kommen.

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